Die enge Verknüpfung individueller Lebensmaximen mit der künstlerischen Entwicklung einer jungen Frau lernte ich am Beispiel von Regina Albrecht kennen. Ihr hoher Anspruch an sich selbst, an ihre Umgebung und an die Gesellschaft im allgemeinen lässt sie auch im Bereich der bildenden Kunst keinen Schritt vom Weg abweichen. Später erfuhr ich, dass sie nichts dem Zufall überlässt. Die Solidität ihrer künstlerischen Aussage beruht auf sorgfältiger Information über alle Bereiche künstlerischer Arbeit, wobei sie nicht nur die bildende Kunst favorisiert, sondern auch Musik, Theater und Literatur. Sie legt gern den Finger in die Wunden verquerer Zustände. Das hat weniger mit Sendungsbewusstsein zu tun als mit der Erkenntnis, dass Veränderung nur durch das eigene gute Beispiel möglich ist.(AK) |
"Verletzlichkeit",
1993 |
Mit Helmut Bettenhausen verbindet mich eine lange Wegstrecke menschlicher Erfahrungen, die sich obendrein wie ein roter Faden durch die Kunstentwicklungen dieser Region zieht. Bettenhausen schien der Prototyp des ausgeschlafenen Ruhrgebietlers zu sein. Als ich ihn traf, war er nach einer abgeschlossenen Handwerkslehre bereits Studierender an der Folkwangschule Essen und ein Bildermacher mit einem ernstzunehmenden formalen Konzept. Die sich bereits um diese Zeit anbahnende Freundschaft war indessen so pflegeleicht nicht. Hochgradig sensibel und mit einem Hang zu Selbstzweifeln, dem manches scheinbar missglückte Kunstwerk zum Opfer fiel, zog er gelegentlich auch Ermunterungsversuche in Zweifel. So wurde unser herzliches Einvernehmen manchmal auf eine harte Probe gestellt. Erst später kam mir der Gedanke, dass diese starke Selbstkritik jeweils der Schlüssel zum nächsten Problem war.(AK) |
"Schwarz konkret",
1993 |
Die Spurensuche zwischen Kunst und Design, das Faible für die Exklusivität der Form und die Wissbegierde, darüber Neues zu erfahren, ist als Ausganggspunkt für eine Dauerdiskussion nicht selbstverständlich. Zumindest nicht bei einem Altersunterschied der Kontrahenten von fünf Jahrzehnten. Vor fast zehn Jahren lernte ich Uwe Gelesch als einen jungen Kunstbesessenen kennen, der neben seinem bürgerlichen Beruf ein überraschendes Maß an kreativer Energie verfügte. Sein Heißhunger nach Information war ebenso erstaunlich wie die Beharrlichkeit, mit der er sie sich zu verschaffen wusste. Er provozierte mich zu einer Anknüpfung an halb vergessene Erfahrungen der 50er Jahre bis weit hinein in die Zeit der avantgardistischen Sechziger. Inzwischen sind wir zu bemühten Faktensammlern geworden mit einem besonderen Feeling für die Reize des zeitgenössischen Designs.(AK) |
"Quadrat mit goldenen
Schnitten", 1993 |
Ausstellungsmacher, Künstler-Kollegen,
Drucker und Öffentlichkeitsarbeiter wissen, was ich meine - Rolf
Glasmeier ist ein gnadenloser Perfektionist, der niemals Abstriche macht.
Das gestaltet den Umgang mit ihm nicht einfach, sichert aber andererseits
höchste Qualität. Die Konsequenz der künstlerischen Entwicklung
trifft sich mit seinen Maximen als Designer und Fotograf, sodass Glasmeier
geradezu ein Paradebeispiel für die Gleichwertigkeit von Kunst und
Design ist. |
"Aus
2 wird 3", 1992 |
|
"Sarkophage der
Natur", 1993 |
Das Datum unseres Kennenlernens
lässt sich genau bestimmen: Es war 1962 im Kunstkabinett Funke, wo
Rainer Kleinschmidt als 23-jähriger Student mit einer Ausstellung
von Malerei und Zeichnung an die Öffentlichkeit tratt. Ich erinnere
mich an Porträtstudien, an Gesichter, die sich aus einem kraftvoll
gesetzten Lineament entwickelten, und an atmosphärisch dichte Impressionen
aus Paris, der Stadt meiner damaligen Träume. |
"New York Flow",
1993 |
Mein Kontakt zu Wolfgang Liesen muss bis in die Mitte der 50er Jahre reichen, denn damals trafen sich mein Mann Ernst und Liesen regelmäßig in einem Bildhauerkurs des Essener Plastikers Joss Röwer. Die Erinnerung an die dortigen Bemühungen um skulpturale Fertigkeiten ist bei Liesen noch ganz frisch, während sich mein Auftauchen im Dunkel verliert. Zumindest war er damals nach einer Ausbildung als Steinmetz gerade im Begriff, sein Studium an der Folkwangschule aufzunehmen, das er später an der Kunstakademie fortsetzte. Aber Masse und Krafteinwirkung ("Umformer") sind nicht allein die Hauptfaktoren seines Werkes. Der empfindsame Freund von Naturerlebnissen, festgeschrieben in etlichen Nordlandreisen, bezieht auch das Leben mit der Kreatur ein. Zu den ästhetisch reizvollsten Bilderfindungen gehört sein Wettbewerbsvorschlag für die Halde Rungenberg. Der "Vogelschattenweg", eine poetische Spurensicherung über Träume und Wünsche zur Rückkehr des Menschen an die elementaren Quellen des Lebens, sieht die Vögel als Boten verlorener Paradiese.(AK) |
"Autopsie",
Umformer Nr. 69, 1992 |
Anfang der 60er Jahre kaufte mein Mann Ernst eine aufregende Collage aus einer Jahresschau Gelsenkichener Künstler im Museum. Der Künstler hieß Friedhelm Lork. Ich werde die Freude über diesen Fund nie vergessen, weil wir der festen Überzeugung waren, einen talentierten jungen Maler entdeckt zu haben. Derweil wunderte sich der damalige Museumsleiter über die Auswahl, denn die Arbeit war für sein Verständnis mehr als vorwitzig - versteckt hinter gemalten Partien mit aufliegenden Farbstrukturen waren Ausrisse aus der Produktwerbung zu erkennen. Als Friedhelm Lork den Nachwuchspreis der Stadt Gelsenkirchen 1961 erhielt, stand ein Interview an. Mehr oder weniger gefasst auf tastende Versuche und Arbeiten unterschiedlicher Qualität war ich kaum vorbereitet auf das, was zum Vorschein kam: eine am frühen Informel orientierte Malerei auf Leinwand und Papier, die das Stadium einer Versuchsreihe längst hinter sich hatte. Sie lag nicht nur im Trend der Zeit, sondern fügten der gegenstandslosen Kunst auch frische Impulse hinzu. Da erzwang die Aussicht auf eine berufliche Chance eine größere Unterbrechung. Umso verblüffender war sein Wiederauftauchen Ende der 80er Jahre. Im Kontext zwischen alten und neuen Arbeiten war kein Einbruch zu erkennen. Die Vitalität und Freizügigkeit in der Komposition und im Gebrauch der Farben und Formen war erhalten geblieben. (AK) |
"Korrespondenzen",
1993 |
Seit jeher bewegen sich ihre Darstellungen auf dem schmalen Grad zwischen Figurationen und Gegenstandlosigkeit, ein Übergleiten in konkrete Bereiche, wo die Form die Funktion des Zeichens bekommt. Hier vollbringt sie einen Balanceakt, der ein sicheres kompositorisches Gefühl für die Ausgewogenheit der Bildinhalte verlangt. Dabei wechseln die technischen Mittel auf interessante Weise. Breite Spachtelspuren, die sich zu Verdichtungen zusammendrängen lassen, wechseln mit dunklen Liniengespinsten und dünnen Pinselmarkierungen, die sich wie ein Netz über einem hellen Fond ausbreiten. Daraus entwickelt sich eine Bildsprache, die von dem herben Charme der Zeichen lebt. Roswitha Petry-Hamann durchmisst gern die Wegstrecke zwischen Auflösung und Verfestigung der Kompositionselemente. Letzteres demonstriert sie vorwiegend in ihrer Malerei, wo sich Farbinseln immer mehr zu einer vibrierenden Fläche zusammenschieben. Symbolcharakter tragen hingegen ihre Bildobjekte, in denen sie malerische Partien mit grafischen Gerüsten und collagierten Materialien verbindet. Das deutlich zutage tretende Lineament verweist auf ihre langjährige Tätigkeit als Designerin, die sich mit Plakaten, Entwürfen und Buch-Illustrationen einen Namen machte. Dieser vielseitigen Künstlerin über so viele Jahre zuzusehen und festzustellen, dass ihr der große Atem nicht abhanden gekommen ist, erfüllt auch den Beobachter mit Genugtuung, zumal sich auch auf privater Ebene ein vertrautes Miteinander eingestellt hat. (AK) |
"Von A bis Z",
1993 |
Zuzutrauen wäre es ihm schon,
dass er seine Leinwände in den Wassern aller Kontinente treiben lässt.
Erste Anläufe hat er bereits hinter sich. Mario Reis, gerade wieder
zu einer großen Tour in die USA aufgebrochen, hat sich dennoch nicht
aus dem heimischen Kunstgeschehen verabschiedet. Er hängt an der
Stadt, in der er aufgewachsen ist und von der aus er die ersten Flugversuche
unternahm. Vor Aufbruch und nach Abschluss einer Reise ist Mario am Telefon
und pocht auf die alten freundschaftlichen Verbindungen, die ihm offensichtlich
noch sehr viel bedeuten. Mir selbst geht es nicht anders. perimente, als er zeitweise mit wildem Rauschebart gegen verquere gesellschaftliche Zustände anrannte. Aktionen mit visuellen und akustischen Signalen leiteten über zu der Epoche der Körper- und Sinnesbeschreibungen, in der die sensiblen "Blindzeichnungen" entstanden. Seit Jahren treiben nun seine Leinwände, auf Keilrahmen gespannt, im fließenden Wasser, das seine malerischen Spuren hinterlässt. (AK) |
"Naturaquarelle",
1984/85 |
Ursula Simon nähert sich
der Kunst auf verschiedenen Ebenen. Eine natürliche Begabung für
mehrere gestalterische Disziplinen machte den Weg von dem Umgang mit Farben
und über ihre zeichnerischen Virtuosität bis zu den heutigen
Ausdrucksmitteln nicht einfacher. |
"Ansteigend",
1993 |
Ein Künstlertyp
seiner Provenienz findet sich immer seltener. Ich habe Günter Tollmann,
der 1990 gestorben ist, mehr als 30 Jahre gekannt, beobachtet, und seine
Lebensauffassung bewundert. Für ihn war die Kunst noch etwas Heiteres,
Anfeuerndes, in alle Bereiche des Daseins Eingreifendes. Er lieferte sich
ihr so pauschal aus, als habe er keine Angst vor dem Absturz. |
"Kopf", 1987 |
Gérard Walther, in Südfrankreich
geboren, lebt als freischaffender Künstler in Hamburg. Die Stadt
ist seit mehr als zwei Jahrzehnten seine zweite Heimat. Vermittelt wurde
unsere Bekanntschaft durch eine in Gelsenkirchen lebende Tante, die die
Kunst ihres angeheirateten Neffen in so beredten Farben schilderte, dass
ein Treffen unvermeidlich schien. Sie hatte Recht. Gérards Arbeiten
waren nicht nur des Ansehens wert, sondern auch ausstellungsreif - zumal
seine Thematik einer Zeiterscheinung folgte, die die Situation des Menschen
in einer bedrohten Welt zum Inhalt hatte. Später stellte sich heraus,
dass es noch einen weiteren Grund für gegenseitige Sympathie gab:
unsere Vorliebe für Burma-Katzen, sodass auch unsere Hausmiezen inzwischen
untereinander verwandt sind. |
ohne Titel, 1990 |
Als unsere Schreibtische noch
im Hans-Sachs-Haus standen - meiner im Presseamt und Berni Woscheks in
verschiedenen Ämtern, die um seine Ausbildung zum Kommunalbeamten
bemüht waren -, gestaltete sich die Kommunikation verhältnismäßig
einfach. Wo sich eine Gelegenheit ergab, diskutierten wir für die
zeitgenössische Kunst. Schon damals stand Bernis Entschluss, dem
sicheren Behördendasein zu entsagen, fest. Das schien konsequent
angesichts der Fülle kreativer Ideen, die auf Verwirklichung warteten.
Ebenso folgerichtig angegangen wurde das zweite Leben mit der Kunst, dem
er ein Kunst- und Psychologiestudium vorschaltete. |
"Culture - Nature
Deutschland", 1992/93 |
Im Museum seiner Heimatstadt
fand 1979 die lezte Ausstellung zu Lebzeiten des Künstlers statt,
keine Retrospektive, aber doch ein eindrucksvoller Querschnitt seines
Schaffens der letzten zwanzig Jahre. Hubert Berke hatte diese Ausstellung
mit starkem persönlichen Engagement mitgestaltet, es bereitete ihm
Freude, nach Jahrzehnten wieder einmal in Gelsenkirchen-Buer sein Werk
zeigen zu können. Nicht zuletzt war es auch das Wiedersehen mit alten
Freunden und Bekannten, die die Eröffnung für ihn zum Ereignis
machte. |
"Herr in Blau",
1967 |
Der 100. Geburtstag von Leo Breuer,
im März diesen Jahres vom Berner Kunstvrein mit einer großen
Ausstellung gewürdigt, ist, wenn auch eher zufällig, auch für
das Museum Gelsenkirchen Anlass, an einen Künstler zu erinnern, der
zu den herausragendsten Vertretern der auch in diesem Hause besonders
gepflegten "Konkreten Kunst" gehört. Vier Jahre nach seinem
Tode, im Mai-Juni 1979, konnte eine umfangreiche Breuer-Ausstellung im
Museum durchgeführt werden; zwei schöne Werke fanden den Weg
in die Sammlung. Den Zugang zu Breuers Werk ermöglichte seine Witwe
Annie, die sich mit Engagement und Temperament für Leo Breuers künstlerische
Hinterlassenschaft einsetzt und bis heute als sachkundige Verwalterin
den umfangreichen Nachlass hütet und pflegt. |
"Relief cinétique
virtuel R23/R24", 1969 |
Bei vielen Bildhauern, die ich
kennen lernte, fiel mir auf, dass sich überdurchschnittlich viele
von ihnen durch ein heiteres, gewinnendes Wesen auszeichnen, durch Kameradschaftlichkeit
und Hilfsbereitschaft ohne Berechnung, und das ganz unabhängig von
ihrer wirtschaftlichen Lage. Mögen andere darüber spekulieren,
ob es die Schwerarbeit ist, die der Psyche gut tut. |
"Gegenläufig",
1992 |
"..Oft habe ich in Gesprächen
erfahren, mit welcher Achtung von seinem Werk gesprochen wird - überflüssig
zu sagen, dass ich diese hohe Meinung immer geteilt habe." Danguillier
ist eher ein ruhiger Mensch, der nicht viel Aufhebens von sich macht,
der den Eindruck macht, dass er seiner Sache sicher ist und nicht viel
darüber reden muss. Danguilliers frühere Experimente mit Schriften
und Typografie hatten immer Ergebnisse, die nichts Experimentelles an
sich hatten, es waren auch immer gültige Lösungen. Nur ein ganz
intakter künstlerischer Instinkt konnte (und kann) die Ursache sein
für eine solche Sicherheit in der Handhabung der künstlerischen
Mittel. |
"Toskanisches
Mauerbild", 1993
|
Es entspringt einer eher romatnisch
verklärenden Auffassung von Künstlertum, den Rang eines Künstlers
im umgekehrten Verhältnis zu seiner Bereitschaft und Fähigkeit
zum Broterwerb bestimmen zu wollen. Eines der nicht seltenen Gegenbeispiele
verkörpert Peter Faßbender, Kunsterzieher in Essen-Werden,
promovierter Kunsthistoriker, seit zwanzig Jahren beteiligt an zahlreichen
Ausstellungen. Mit den gleichen Problemen, die jeden Künstler beschäftigen,
befasst sich - auf seine Weise - auch Faßbender: Fläche und
Raum, Bindung und Freiheit, Ton, Farbe usw. Auf seine Weise - das heißt:
weder naiv, impulsiv, explosiv noch ausgetüftelt, rational, dogmatisch.
Faßbender weiß, was er tut, er schaltet auch seine Intelligenz,
sein kunsttheoretisches Wissen nicht aus. Sie bestimmen aber keineswegs
den Anbtrieb zum Malen und auch nicht die Gestaltung, wohl aber zur nachträglichen
Kontrolle und Selbstbeurteilung, die zuweilen auch hart ausfällt.
|
"Versatzstücke",
1993
|
Künstler, die die klassischen Medien meiden und dafür übergreifende Projekte durchführen, machen es sich nicht leicht. Zu solchen gehört Yvonne Goulbier, die in den letzten Jahren ganze Räume gestaltete, verfremdete, mit einer neuen optischen Qualität versah. Solche Environments sind nicht für die Dauer geschaffen, man kann sie also auch nicht "verkaufen", tragen daher auch nicht zum Lebensunterhalt bei, verursachen aber demgegenüber ein hohes Maß an Planung, Mühe und Arbeitseinsatz. Zeugen einer solchen Anstrengung, die dann zu einem zauberhaften Ergebnis führten, waren die Besucher des Museums im Januar 1986. Durch UV-Licht transzendierte das (Objekt)Ensemble ins Magisch-Irreale, zur "Kathedrale der zweifelhaften Helligkeit". Die Realisierung erforderte harten körperlichen Einsatz, der nur unter Beteiligung einer ganzen Gruppe von freiwilligen Helfern zu bewältigen war. Trotzdem wäre die Vollendung fraglich geworden, wenn Yvonne Goulbier und auch ihr Ehemann Klaus Müller nicht eine gerade ansteckende Lust an der Arbeit ausgestrahlt hätten. Ihre lockere, heitere Art schuf das beste Arbeitsklima, das auch den Museumsleiter animierte, zum Tacker zu greifen. Die nicht abgebrochenen Kontakte führten 1993 zur Gemeinschaftsausstellung Goulbier/Müller unter dem Titel "Ocean boulevard". (RL) |
"Die Kathedrale
der zweifelhaften Helligkeit", 1986, |
Die
Karl Heidelbach-Ausstellung 1973 im Städtischen Museum war nicht
die erste Präsentation des Künstlers in Gelsenkirchen, wie ich
zunächst annahm: 11 Jahre vorher hatte Anneliese Knorr den "Objektebauer"
Heidelbach im Pianohaus Kohl ausgestellt und damit, nicht das einzige
Mal, die Ehre der Premiere eingeheimst. Aber es wurde doch noch eine Premiere,
da Heidelbach nun mit Gemälden antrat, die mit den früheren
Montagen nichts gemein hatten. Er überraschte mit einer perfekten,
glatten Malerei, die bis heute sein Markenzeichen geblieben ist. Sein
Motiv-Repertoir hat sich erweitert, kreist aber immer um bestimmte Schwerpunkte:
Puppe, Roboter, Mensch - daneben auch Landschaft und Stillleben. |
"Spurensuche",
1988 |
Ist Heindrichs ein Romantiker?
Ein Nachfahr jener malenden Dichter-Musikanten, denen sich die Klänge
in Farben, die Farben in Worte und die Worte wieder in Farben und Klänge
verwandeln? Ihm läge es wohl selbst am fernsten, zur Leditimation
seines Schaffens eine genealogische Erbfolge nachzuweisen. Er lebt und
arbeitet in der Gegenwart, und ihre Probleme sind auch die seinen. Musikalisch
führt er das Verstummen der Musik vor, eine ins Tragische gewendete
Abschieds-Sinfonie. Notenschrift mutiert zu nicht mehr spielbaren, grafischen
"No-tationen", diese wiederum zu nicht lesbaren Schriftblättern,
dichten Texturen, hinter denen ein nicht mehr entzifferbarer Sinn verborgen
zu sein scheint, Botschaften aus einer vergessenen Welt. Seine Gedichte,
angeregt von kleinen Erlebnissen, verschlüsselt, ausgreifend ins
Kosmische, andeutend, tastend in Höhen und Tiefen, unausgesprochen
oft getragen von tiefer Angst, das Vertrauen zu verlieren auf die Kraft
der Musik, die Macht der Bilder und Wirksamkeit des Wortes. Trotzdem auch
wieder voller Geduld, Duldung, wie versunken in das Gespinst der Gedanken. |
"Palimpsest",
1990 |
1978 - sechs Jahre vor Inbetriebnahme
des Neubaus - vegetierte das Museum Gelsenkirchen in beengten Räumen
und mit knappen Mitteln mehr schlecht als recht dahin. Die Sammlung war
magaziniert, in der “Alten Villa“ wurden Wechselausstellungen
gezeigt, die zwar einen treuen Besucherkreis ins Haus zogen, jedoch kaum
Breitenwirkungen erzielen konnten. Als Beispiel für die Tatsache,
dass gar kein Ruf schlimmer ist als ein schlechter, erwies sich in diesem
Jahr 1978 anlässlich einer Hannah Höch-Ausstellung bemerkenswert
dadurch, dass es sich um die einzige nach den Vorstellungen der Künstlerin
konzipierte Ausstellung handelte und die letzte zu ihren Lebzeiten. Die
überregionalen Medien würdigten das Ergebnis mit keiner Zeile.
Es war, eben die (richtige) Ausstellung am falschen Ort. Unvergessen bleiben
die beiden Besuche bei der 88-jährigen Künstlerin in ihrem idyllischen
Refugium in Berlin-Heiligensee, wo nur wenige Zutritt suchten und fanden.
Ihre anfängliche Reserviertheit wich, als sie erfuhr, dass das verschollen
geglaubte Bild “Gewächse“ sich wohlbehalten im Museum
Gelsenkirchen befand. |
"Wilde Malven", 1938 |
Unter allen Kunstsparten musste
sich in den letzten Jahrzehnten gerade die Malerei immer wieder mal nachsagen
lassen, sie sei tot, ganz pauschal oder von Fall zu Fall. Aber auch hier
gilt, dass sich Totgesagte einer besonderen Vitalität erfreuen. Wie
könnte es anders sein bei der Malerei, die die ganze Erlebnisbreite
der menschlichen Psyche über unendliche Tonskalen aufzunehmen und
zu reflektieren vermag. |
"Konstruktion
im Außenraum", 1991/92 |
Über Nino Malfatti: Ein Österreicher italienisch-rumänischer Abstammung in Berlin, ein Charlottenburger Tiroler und Nachfahr einer byzantinischen Kaiserdynastie — was alles musste zusammenkommen zur physischen und psychischen Prägung eines Künstlers, in dessen malerischem Werk sich die Liebe zur Bergwelt ebenso manifestiert wie eine bis in surrealistische Bereiche überfließende Fabulierkunst. Seine Malkultur und Zeichenkunst ohne Schwächen sind schlichtweg bewundernswert, trotzdem oder vielleicht deswegen blieb Malfatti ein Einzelgänger in seiner Kunst, von der Öffentlichkeit mehr respektiert als akzeptiert. Für einen Ausstellungsleiter mag es reizvoll sein, der jeweiligen Avantgarde auf der Spur zu bleiben, nicht minder reizvoll war für mich aber auch, Außenseiter aus ihren Nischen ins Museum zu holen und zur Diskussion zu stellen. So kam es 1980 zur ersten Malfatti-Ausstellung, zusammen mit dem Museum Bochum im Museum Gelsenkirchen. Die zweite Malfatti-Ausstellung in Gelsenkirchen 1990 zeigte die Wandlungen, die sich im Werk des Künstlers in zehn Jahren vollzogen hatten. Eines hatte sich nicht gewandelt: das nun 15 Jahre währende freundschaftliche Verhältnis, die gegenseitige Anteilnahme und die gemeinsame Basis für viele anregende Gespräche in Gelsenkirchen, Berlin und anderswo. (RL) |
"Die zweite Vergangenheit",
1992 |
Über Tom Mosley: Unter den teilnehmenden Künstlern
ist Tom Mosley der einzige, der nie im Museum Gelsenkirchen ausgestellt
hat, der auch nicht mit einem Werk in der Sammlung vertreten ist. Also
gab es einen besonderen Grund, ihn um Teilnahme zu bitten. Seit vielen
Jahren ist Mosley ein regelmäßiger Besucher des Museums, er
hat die Entwicklung des Hauses mit Interesse und Anteilnahme verfolgt,
war oft Gast in meinem Büro zu einem freundschaftlichen Gespräch.
Er vermittelte Kontakte und half, wenn es einmal nötig wurde. |
"Shadow Box",
1981 |
Über Marianne Pohl: Marianne Pohl gehört zu
den Kunstschaffenden, bei denen die Betonung auf dem “Schaffen“
liegt, für die die Planung und Durchführung eines Werkes das
Werk selbst darstellt, weniger das autonome Kunstobjekt. Zweimal ist Marianne
Pohl im Museum Gelsenkirchen tätig gewesen. 1983 entstand die “Zeichnung
einer Treppe“ im Treppenhaus der Alten Villa, eine Projektion (mit
Klebeband) der architektonischen Treppenhauselemente auf die Treppenstufen,
ein zunächst irritierendes, aber doch in seiner logisch— mathematischen
Konsequenz durchscheinbares Linienspiel war das Ergebnis einer 8-tägigen,
mit eisernem Fleiß und Akribie durchgeführten Arbeit. |
ohne Titel, 1993 |
"Das Revier als Faszination"
lautete der Titel einer Ausstellung in Oberhausen 1977, in der Many mit
dem Kunstpreis des Kunstvereins Oberhausen ausgezeichnet wurde. Der Titel
könnte auch als Motto seines gesamten Schaffens stehen, denn das
Revier hat ihm, der von 1947 bis 1983 unter Tage als Bergmann, Steiger
bzw. Bergingenieur tätig war, seinen unverwechselbaren Stempel aufgedrückt. |
"Unter dem Ruhrgebiet",
1991 |
ICH GLAUBE, ER MAG DIE GELSENKIRCHENER 1964 war im Pianohaus Kohl ein
Klavier zu benageln. Das war verabredet. Pianohausinhaber Johannes Tesch
und ich machten uns auf den Weg nach Düsseldorf, wo der Künstler
zweifelte, ob er den richtigen Termin beim Wickel hatte. Derweil wurden
in den Räumen an der Weberstraße Böden und teure Instrumente
mit großen Packpapierbogen geschützt. Wogegen, wusste von den
Helfern so recht keiner. Gut vorbereitet hatte sich auch ZERO-Mitstreiter
Heinz Mack mit einer Grundsatzrede, die heute noch häufig zitiert
wird. |
"Aufstand",
1986 |
ZUSCHAUEN BEI DER BALANCE ZWISCHEN MALEREI UND PLASTIK Über eine lange Distanz
hatte ich Gelegenheit, Friedrich Gräsels Einstellung zur Kunst und
zu den Menschen seiner Umgebung kennen zu lernen. Ein Gespräch mit
ihm erschloss immer neue Perspektiven, und das ist bis heute so geblieben.
In den 60er Jahren war Gräsel, zusammen mit Günter Tollmann,
häufiger Gast bei den Ausstellungen im Pianohaus Kohl, und sein Beitrag
zu den Diskussionen war besonders gefragt. Seine schlüssig formulierten
kunsttheoretischen und didaktischen Einblicke in die Bereiche der zeitgenössischen
Kunst verraten sein Metier als Hochschullehrer. Schwerpunkte setzt er
seit fünfzehn Jahren mit seinen wuchtigen Röhrenplastiken, die
ihn überregional und vor allem im Ausland bekannt machten. |
"Ringstele" |
EIN KÜNSTLER AUS PRAG BEREICHERT DIE SZENE Als der gebürtige Tscheche
Jiri Hilmar nach seiner Übersiedlung 1969 in die damalige Bundesrepublik
und nach mehreren Jahren Aufenthalt in der Nähe von München
1974 ins Ruhrgebiet verschlagen wurde, empfand man ihn als Gewinn für
eine Kunstentwicklung, die sich im Wechselspiel zwischen rationalen Konzepten
und freier Form entfaltete. Hilmar, Gründungsmitglied des Klubs der
Konkretisten in Prag, bot einen interessanten Gegenpol zu den Künstlern
des Halfmannshofes. Die strenge Ordnung der seriellen Papierreliefs konstrastierten
mit den sinnlichen Erfahrungen der Schaumstoffobjekte Ferdinand Spindels.
|
"Kleine Birne",
1993 |
ZEICHEN FREUNDSCHAFTLICHER VERBUNDENHEIT Beweise einer viele Jahre überdauernden
Zuwendung, die mich ab und an erreichen, dediziert er mir mit der Versicherung
alter Freundschaft und dem Zusatz "in Erinnerung an unsere Jugendzeit".
Damit siedelt er offenbar unsere Bekanntschaft in den 20er Jahren an.
Damals ging ich allerdings noch zur Schule, und Anton saß mit meinem
Mann und anderen Studenten dem Professor Max Burchartz an der Essener
Folkwangschule zu Füßen. |
"Fliegende Formen",
1976 |
DER MAGIER DES LICHTS KAM HÄUFIG NACH GELSENKIRCHEN Die Bekanntschaft mit Adolf Luther
reicht bis Anfang der 60er Jahre zurück. Damals erschien der studierte
Jurist mit Promotion wie ein Novum im Kunstgeschehen der Nachkriegszeit.
Ein Staatsbeamter, der die bürgerlichen Lebensumstände mit dem
unsicheren Terrain der zeitgenössischen Kunst vertauschte, wandelte
sich zum Künstler und zu einem Magier des Lichts. |
"Vierzeiler-Objekt",
1990 |
BEKANNTSCHAFT MIT DEN "FARBEN DER ERINNERUNG" Im Februar 1988 realisierte sich
endlich eine lange Verabredung zwischen dem Kunstverein Gelsenkirchen
und Ulrich Erben über eine Ausstellung mit seiner Klasse. Die Ausstellungsreihe
"Lehrer - Schüler", mit Günther Uecker 1981 erfolgreich
begonnen, gefiel auch dem in Münster lehrenden Professor. Ulrich
Erben brachte 18 Studierende mit, die in der Museumsvilla freie Hand bekamen.
Dabei entfaltete sich ein breites Spektrum zwischen Malerei, Objekt, Materialbild
und Plastik, das Aufschluss gab über die pädagogischen Maximen
des Lehrers. Ulrich Erbens lockerer, aber dennoch prägender Einfluss
war an den Beiträgen der Studentinnen und Studenten deutlich abzulesen.
Als Schwerpunkt wirkte indessen die Erben-Präsentation mit großformatigen
Tableaus. |
"Farben der Erinnerung",
1989 |
Mit Udo Scheel, Professor an
der Staatlichen Kunstakademie Münster, hatte der Kunstverein Gelsenkirchen
seit langem einen Künstler im Visier, der in hervorragendem Maße
geeignet erschien, die Ausstellungsreihe "Lehrer - Schüler"
fortzusetzen. Aber das hieß schon bald, offene Türen einrennen,
denn Schüler von Scheel hatten sich bereits auf anderem Wege die
Wände des Museums erobert. Sie stellten einige Sieger beim Karl-Schwesig-Preis,
der für Hochschulstudenten ausgelobt wird. |
"Seltsame Verkündigung",
1988 (links) |
Künstlern wie Norbert Thomas ist es zu verdanken, dass die Konkrete Kunst auch in neuester Zeit nicht in dogmatische Erstarrung verfällt, sondern durch das Einbringen neuer Ideen und eigener Anschauungen ihre Vitalität bewahren kann. Thomas rüttelt nicht an den Grundprinzipien der Konkreten Kunst, er bedient sich ihrer Gestaltungsmittel, aber er verleibt ihnen eine neue Dynamik, gibt ihnen eine neue Richtung durch Hinzuziehung eines anderen Gestaltungsmittels: "System und Zufall" war der Titel einer Ausstellung 1992 im Museum Gelsenkirchen mit Arbeiten von Norbert Thomas, und damit ist das Wesentliche seines Arbeitsprinzips ausgesagt. Es erlaubt ihm Freiheiten in der Bindung, das Strenge mit dem Spielerischen zu versöhnen. Bei aller scheinbaren Kargheit sind Thomas' Bilder von einer untergründigen Heiterkeit und Leichtigkeit. System und Zufall finden bei ihm zusammen zu einer glücklichen Ehe. (RL) |
"Drei Außenformen",
1989 (links) |
EINE GEBALLTE LADUNG GESTISCHER MALEREI Ins Jahr der Grundsteinlegung
für das neue Museum 1982 fiel die Doppelausstellung "Jochen
Zellmann und seine Schüler" des Kunstvereins Gelsenkirchen.
Zu Anfang war geplant, das Werk Zellmanns in einer Einzelausstellung zu
zeigen. Seine Bilder wirkten wie eine mächtige Demonstration des
heraufziehenden abstrakten Expressionismus und stießen bei Kunstkennern
auf größtes Interesse. Aber Zellmann, Professor in Münster
und zugegebenermaßen umgeben von höchst talentierten Studierenden,
wollte einige von ihnen mit nach Gelsenkirchen bringen. Und so ergab sich
eine weitere Version der Reihe "Lehrer - Schüler". |
"Neapelgelb und
bräunliches Pigment", 1987 |
Die Ausstellung "Ereignisse - Begegnungen mit Bildern und Menschen" kann als besonderer Höhepunkt unserer Aktivitäten im Jahr 1993 betrachtet werden. Sie präsentierte die Werke von 37 Künstlerinnen und Künstlern im Städtischen Museum Gelsenkirchen (Alte Villa sowie Clubraum und untere Galerie im Neubau). Ein besonderer Anlass prägte das Konzept der dreiteiligen Ausstellung: Meine Vorstandskollegin Anneliese Knorr vollendete ihr 75. Lebensjahr und Museumsdirektor Dr. Reinhold Lange verabschiedete sich in den Ruhestand. Unter dem Leitmotiv "Begegnung mit Bildern und Menschen" hatten beide je 14 Künstler/innen ausgewählt, an die sie sich gern erinnerten bzw. zu denen im Laufe der Zeit ein freundschaftlicher Austausch entstanden war.
Bei Anneliese Knorr handelte es sich vorzugsweise um Kunstschaffende aus der Region, deren Werk sie nicht nur als Ausstellungsmacherin des Kunstvereins, sondern in gleicher Weise als ehemalige Leiterin der Kommunalen Galerie Gelsenkirchen begleitet hat. Das passte vorzüglich in unsere seit vier Jahren verfolgten Bestrebungen um die "Kunstmeile Gelsenkirchen", ein Vorhaben unter dem Aspekt KUNST IM ÖFFENTLICHEN RAUM, das sich dem Projekt "IBA Emscher Park" zuordnet.
Dr. Reinhold Lange hingegen benannte Künstler/innen aus seinem langjährigen Ausstellungsrepertoire, mit denen er freundschaftlichen Kontakt hielt.
Die in einer dritten Abteilung präsentierten neun Künstler/innen waren von Knorr/Lange gemeinsam vorgeschlagen worden.
Durch die in der vom Kunstverein inszenierten Ausstellung sichtbar werdende unterschiedliche Motivation gewann das Thema an Spannung und Aussagekraft. Anneliese Knorrs Auswahl stand für die Zielvorstellung des Kunstvereins, wonach die Motivierung der Künstler/innen des Ruhrgebietes einen Schwerpunkt darstellt. Das gleiche gilt für die Förderung der Nachwuchstalente. Somit waren im Erdgeschoss der Alten Villa sowohl namhafte und verdiente Protagonisten der Revierszene versammelt als auch Erfolg versprechende junge Nachwuchskünstler.
In dem von Dr. Lange belegten ersten Stockwerk nahmen Künstler einen breiten Raum ein, die im Laufe der Jahre ein besonderes Verhältnis zu Gelsenkirchen entwickelt hatten. Damit vervollständigte sich das Bild einer lebendigen Zusammenarbeit zwischen Kunstverein und Museum, das von beiden Seiten stets im Blickfeld stand.
Mit der Ausstellung "Ereignisse" hofft der Kunstverein deutlich gemacht zu haben, dass es ihm nicht ausschließlich darum geht, neueste Trends und spektakuläre Zeiterscheinungen publik zu machen. Nach unseren Vorstellungen gehören zu einer effektiven Begegnung der Bürgerinnen und Bürger mit der bildenden Kunst auch die Darstellung und Bewertung von Grundlagen, auf denen die heimische Kunstsituation basiert. Das veranlasste uns beispielsweise 1988 zum 20-jährigen Bestehen des Kunstvereins, eine Dokumentation "Kunst der Sechzigerjahre in Gelsenkirchen" vorzulegen, die die in unserer Stadt gepflegte avantgardistische Kunst jener Zeit zum Inhalt hatte.
Die besondere Kraftanstregung für die Ausstellung "Ereignisse", über deren Eröffnungsfeierlichkeiten bereits eine Sondernummer erschienen ist, wurde begleitet von dem Beistand des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadt Gelsenkirchen sowie der heimischen Wirtschaft und ihres offiziellen Gremiums, der Gelsenkirchen-Stiftung. Für dieses sich auch durch steigende Besucherzahlen ausdrückende Interesse an den Darbietungen der bildenden Kunst in Gelsenkirchen hat der Kunstverein vielen Mitstreitern herzlich zu danken. Dieses Zusammengehen, das jetzt in einer Dokumentation gipfelt, ermutigt für die Arbeit des kommenden Jahres.
Ulrich Daduna, Vorsitzender
Als "Mutter der Künstler" tituliert sie ein Bericht von 1989: Anneliese Knorr, Journalistin und Ausstellungsmacherin. Heute wird sie 75 Jahre.
Nach dem Abitur hatte Anneliese Knorr bei Zeitungen in Münster und Düsseldorf volontiert und sich in dieser Zeit schon vorwiegend mit Kunst, Literatur und Theater beschäftigt. Als freie Journalistin und Werbetexterin schlug sie sich in den folgenden Jahren durch. 1961 begann sie die Tätigkeit, die sie weit über Gelsenkirchen hinaus bekanntgemacht hat: Sie organisierte ihre ersten Ausstellungen, damals noch im Pianohaus Kohl. "Avantgarde der 60er Jahre" überschrieb sie diese erste Veranstaltungsreihe.
In dieser Zeit wurde sie auch Mitglied des Kulturausschusses, als sachkundige Bürgerin, ehe sie 1965 Mitarbeiterin des Presseamtes wurde.
Einmal im Hans-Sachs-Haus, machte sie auch das zur Galerie, zur "Kommunalen Galerie". Das begann mit Ausstellungen im Dienstzimmer des Oberbürgermeisters, damals Hubert Scharley, die "Junge Ruhrgebietskünstler" präsentierten. 1976, als sie zum Kulturamt wechselte, bekam sie noch mehr Gelegenheit, sich ihrem zum Beruf gemachten Hobby, den Kunstausstellungen, zu widmen. Rund 100-mal konnte sie zu Eröffnungen einladen, ins OB-Zimmer, ins Ratsfoyer, in das Schalker Gymnasium, aber auch in die Bonner NRW-Vertretung und ins Landeshaus Münster. Auch als sie 1982 aus dem Dienst schied, setzte sie diese Arbeit fort, managte weiter die Kommunale Galerie. Erst Ende 1988 übergab sie diese Arbeit an Reinhard Hellrung.
Erwähnenswert ist auch Anneliese Knorrs Tätigkeit als Kunstsammlerin. Manche Raritäten brauchte sie nicht zu kaufen, erhielt sie zur Erinnerung geschenkt, beispielsweise die vielen Karten zu ihrem 65. Geburtstag, die ihr den Stoff lieferten für eine Ausstellung im Oberbürgermeister-Zimmer.
Nachzutragen ist noch die Tätigkeit beim Kunstverein. Von 1980 bis 1983 war sie Vorsitzende, seither ist sie Stellvertreterin. Allein in ihren drei Vorsitz-Jahren war sie für zwölf Ausstellungen und fünf Diskussionsabende verantwortlich.
Heute dürfte im Hause Knorr manche Erinnerung aufgefrischt werden. Da ist dann gewiss die Rede davon, wie Günther Uecker im Pianohaus Kohl das Klavier benagelte, dass Heinz Mack und George Rickey im Halfmannshof ausstellten. Gelsenkirchen zehre noch vom Aufrieb in den 60er Jahren, schrieb Anneliese Knorr vor einigen Jahren. Sie war an diesem Schwung weentlich beteiligt.(Ruhr-Nachrichten vom 26. Juli 1993)
(HaS) Was haben Katzen mit Kunst zu tun? Kulturdezernent Peter Rose kennt die Antwort: Sowohl im Leben des ehemaligen Museumsdirektors Dr. Reinhold Lange als auch in der Biographie der Sammlerin und Ausstellungs-Managerin Anneliese Knorr spielen Katzen eine wichtige Rolle. Von der Kunst gar nicht zu reden.
Zur großen Abschiedsfeier des Museums-Chefs, die zugleich Geburtstagsfête für die 75-jährige Anneliese Knorr war, kamen ganze Gästescharen aus Politik und Verwaltung, aber auch zahlreiche Künstler ins Museum. Und bei Anneliese Knorr musste man nach dem Katzen-Thema nicht lange suchen: Katzen-T-Shirts und kleine Statuen befanden sich unter den Präsenten.
Im Fall Dr. Reinhold Lange musste Kulturdezernent Rose für seine Laudatio erst einmal herausfinden, dass der Byzantinistik-Experte während seiner kunstgeschichtlichen Arbeit in Griechenland eine Katze besaß. Die Personalakte des scheidenden Museumsdirektors war hingegen wenig aufschlussreich für eine Würdigung: "Das einzige interessante, was ich darin gefunden habe", so Peter Rose, "war die Bewerbung - sie kam aus Athen."
Zu Anneliese Knorr fiel ihm spontan ihr Stoßseufzer ein: "Das bleibt sowieso wieder alles an mir hängen." Die zahlreichen Ausstellungen, die sie initiiert und organisiert hat, wären ohne ihre privaten Kontakte kaum in gleicher Form realisierbar gewesen. Als besonderes Geschenk vom Kulturdezernenten erhielt sie eine Fangopackung - "damit Sie uns noch lange erhalten bleiben."
Aufgaben hat die 75-jährige stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereins ja noch genug; als "Chefideologin" will sie weiterhin dafür sorgen, dass Ausstellungen zu relevanten Themen wie "Kunst und Landschaft" komponiert werden.
Ganz andere Pläne verfolgt Dr. Reinhold Lange, der sich bereits auf einen Bauernhof im Emsland zurückgezogen hat. Von seinem Mitarbeiter-Kegelclub ließ sich "Paul" (so nannten ihn studentische Kegelbrüder nach dem Maler Paul Klee) eine Staffelei schenken. Und nachdem sein "Wunschkandidat" Klaus Flemming das Amt des Museums-Chefs übernommen hat, wird Pensionär Lange nach langer Zeit wieder an der Leinwand aktiv. Ob, wie es sich Kulturdezernent Rose wünscht, in einigen Jahren eine Schau mit Langes Bildern im Museum präsentiert wird, bleibt abzuwarten.(Ruhr-Nachrichten vom 28. Juli 1993)
"Ich kann ja nur sagen - toll", so kommentierte Anneliese Knorr die feierliche Eröffnung der Ausstellung "Ereignisse" am Sonntagmorgen im Museum. Alles, was in der Kunstszene Rang und Namen hat, sowie Vertreter aus Stadtverwaltung und Rat drängten sich in der alten Villa.
Anneliese Knorr, die im Juli ihr 75. Lebensjahr vollendet, wurde für ihre 35-jährige Tätigkeit als Wegbegleiterin und gelegentlich auch Wegbereiterin von Künstlern gewürdigt; ein weiterer Anlass war die anstehende Pensionierung von Museumsdirektor Dr. Reinhold Lange.
Kulturminister Hans Schwier, Schirmherr der Ausstellung, würdigte das Schaffen von Anneliese Knorr, Dr. Reinhold Lange und des Kunstvereins. Ulrich Daduna, Vorsitzender des Kunstvereins, sagte in seiner Begrüßungsrede:"Wenn Kunst in Gelsenkirchen und im Ruhrgebiet heute einen wichtigen Stellenwert im öffentlichen Leben besitzt, so ist das zu einem erheblichen Teil auf Anneliese Knorrs unerschöpfliche Energie, auf ihr resolutes Engagement, auf ihre starke persönliche und herzliche Ausstrahlung zurückzuführen. Dr. Reinhold Lange war für uns stets ein guter Partner bei der Ausstellungsgestaltung und zeigte sich unseren Plänen gegenüber sehr aufgeschlossen."
Für die Künstler sprachen Bernard P. Woschek und Dr. Peter Faßbender. Woschek, der Anneliese Knorr seit 24 Jahren kennt, macht u.a. Cartoons fürs Fernsehen. Witzelte Anneliese Knorr: "Du hast mich in deiner Rede heute ja mächtig aufs Knorn genommen, so ähnlich wie schon den Bundeskanzler. Dann bin ich also jetzt eine berühmte Persönlichkeit." Woschek lobte Anneliese Knorrs Arbeit als Journalistin und Kunstkritikerin. Ihr Wunsch sei es, "den Ausstellungssockel ein bisschen niedriger zu sägen" und Kunst alltäglicher und fassbarer zu machen. Woschek: "Anneliese Knorr ist ausgebildete Journalistin, aber keine Akademikerin. So hat die Stadt Gelsenkirchen ihr dann auch die Leitung der "Kommunalen Galerie" unentgeltlich "überlassen". Anneliese Knorr lässt sich in ihrer unermüdlichen Arbeit für die Kunst dadurch nicht stören. Ihr so bekannter Ausspruch "Dat bleibt allet wieder an mir hängen" wird vor "versammelter Mannschaft" von Bernard P. Woschek bestätigt: "Alles bleibt an dir hängen, nämlich Ruhm und Ehre."
(Buersche Zeitung vom 28. Juli 1993)
(HJL) Wie ein Spaziergang durch die Strömungen der bildenden Kunst der vergangenen Jahrzehnte wirken diese "Ereignisse" im Museum Gelsenkirchen. Der Kunstverein begreift sie als Hommage an Reinhold Lange, über 20 Jahre Direktor dieses Instituts, und an Anneliese Knorr, die als Stadtgaleristin und als langjähriges Vorstandsmitglied des Kunstvereins ebenfalls das Klima in der regionalen Kunstszene bestimmte.
Das Duo wählte über 80 Werke von 37 Künstlern als "Ereignisse" aus. Es ist also eine Art persönliche Bilanz. Eine Ernte, die das Bemühen zeigt, sich von finanziell ähnlich bescheiden ausgestatteten Museen durch eigenes Profil abzusetzen. Dabei fällt auf, dass internationale Kunst nur spärlich vertreten ist. Andererseits kann das Gelsenkirchener Institut mit einem Eigenbesitz aufwarten, der die klassische Moderne ebenso umfasst wie eine hochwertige kinetische Sammlung oder wie Kollektionen prominenter Sammler und Künstler vom Range eines Paul Maenz oder Anton Stankowski. Die Schenkungen der beiden Mäzene bilden längst Schwerpunkte. Stankowskis Design-Konstruktivismus und frühe Fotografien aus dem Ruhrgebiet, von der Bauhaus-Kunst damals geprägt, würden auch andere Museen in NRW bereichern.
Um noch ein paar Höhepunkte dieser "Ereignisse" zu nennen: Marianne Pohls Raum-Installation, die ein Wege-Labyrinth auf den Boden zeichnet, Hannah Höchs Garten-Sichten in der Nachfolge des deutschen Expressionismus und Udo Scheels figurative Großformate mit erotischem Flair, in denen sich die flirrenden Berlin-Milieus der 30er Jahr wiederfinden könnten.(Westdeutsche Allgemeine Zeitung vom 28. Juli 1993)